Während manche Künstler während ihrer Schikanierung und Verfolgung wie gelähmt waren und darauf warteten, was ihnen das Schicksal noch zumuten wird, versuchte Karel Reiner, heimlichen Widerstand zu leisten. Er folgte damit seiner Philosophie, dass man auch mit Kultur gegen einen verhassten Feind und seine Ideologie kämpfen kann. Dabei ging es ihm nicht nur um Kunst, wenn er illegale Konzerte organisierte, sondern um Widerstand in jeder Form. Er wollte den patriotischen Geist nicht erlahmen lassen. Zeitweise spielten sechzig bis achtzig Musiker in Privatvillen. Der Mut, den diese jüdischen Künstler zeigten, ist bewundernswert, und dass sie zwei Jahre lang durchhielten, erstaunlich. Man muss es schon als Wunder ansehen, dass die heimlichen Veranstaltungen nicht verraten wurden.
Als der Dichter J. Orten (1919–1941) den Text „Wir gehen Hand in Hand“ bei einer der Vorführungen vortrug, fesselten Reiner vor allem die Worte: „Mädchen, Jungen, Freunde, aus dem Spiel erwächst die Arbeit, und das Leben, das wir lieben, küsst uns auf den Mund.“ Worte voll Glauben und Optimismus. Reiner vertonte sie nicht konventionell, aber trotz aller Modernität einnehmend. Das Lied wurde danach mit Vorliebe von den Kindern in jüdischen Heimen gesungen, und im Lager Theresienstadt wurde es zu einer Art Jugendhymne.
Im Mai 1942 heiratete Karel Reiner im Standesamt in Prag 1 in der Pariser Straße die einundzwanzigjährige Hana Steinerová. Bei der Hochzeit war auch Vater Josef Reiner noch anwesend. Unter den politischen Umständen musste man damit rechnen, dass das Eheversprechen „bis zum Tode“ möglicherweise schon bald eingelöst werden würde.
Karel Reiner arbeitete in dieser Zeit an seinen Kompositionen weiter. Im Herbst vollendete er sein bisher reifestes Werk, die Klaviersonate II „Der Sieg“. Dass er den Deportationen, die schon seit dem vorherigen Jahr im Gange waren, nicht entkommen würde, wusste er wohl. So legte er alles in diese Musik hinein, was er damals fühlte und woran er glaubte. Der Titel soll zweifellos Durchhaltewillen ausdrücken. Diese Musik war als Vermächtnis gedacht.
Vor seiner Deportation nach Theresienstadt komponierte Karel Reiner die 2. Sonate für Klavier. Hier verarbeitet er als Ausdruck inneren Aufbegehrens gegen die Okkupation und Form des musikalischen Protestes Zitate aus der tschechischen Nationalhymne, dem Hussitenchoral „Ktož jsú boží bojovníci“ (Die ihr Gottesstreiter seid) und der „Internationale“. Er gab ihr den Namen „Der Sieg“.