Am Tag des böhmischen Schutzpatrons St. Wenzel, am 28. September 1944 wurde Karel Reiner als Nummer 2381 mit einem Trupp arbeitsfähiger Männern nach Auschwitz transportiert, mit ihm Norbert Frýd und mehrere andere Erzieher. Der Zug erreichte schon am nächsten Tag sein Endziel. Unter dem Gebrüll der SS-Männer wurden die Häftlinge wie Vieh aus den Wagons getrieben. Ihr Gepäck wurde beschlagnahmt und zum letzten Nutzen des Reiches sortiert. Sie kamen in eine Scheune, wo sie Uhren und Eheringe abzugeben hatten, dann mussten sie sich ausziehen. Man ließ ihnen nur Gürtel und Schuhe, Frauen sammelten ihre Kleidung auf. Nackt trabten sie in eine andere Halle, wo ihr Kopfhaar geschoren und ihr Körperhaar rasiert wurde. Dann durften sie für ein paar Sekunden unter die Dusche, nach der schon ein Eimer mit stinkender Paste auf sie wartete, die sie auf Kopf und Körper geschmiert bekamen, über die blutenden Stellen, die der ungeschickte Friseur hinterlassen hatte. So gelangten sie schließlich zu ihren Baracken.
Im September 1944 stand die Rote Armee bereits in den Karpaten. Die Front war gerade mal drei Autostunden von Auschwitz entfernt. Der SS begann der Boden zu heiß zu werden. Die Auflösung des Lagers begann. Das war Karl Reiners Glück. Er verbrachte nur eine Woche in Auschwitz-Birkenau, dann wurde er für einen Arbeitskräftetransport zurück ins Reich eingeteilt. Wieder ging es in Viehwagons: neunzig Mann in einem Wagon, zwei Tage und drei Nächte, mit einem Eimer schwarzer Brühe als Verpflegung und einem anderen für die Exkremente.
Sie kamen mitten in der Nacht im tiefsten Bayern an, in Kaufering, wo es elf Außenkommandos des KZ Dachau gab. In jedem waren 3.000 Menschen untergebracht. Reiner kam ins Lager Kaufering 11. Dort arbeitete er in einer riesigen unterirdischen Baustelle, wo eine Flugzeugfabrik entstehen sollte. Im April 1945, kurz vor Ende des Krieges, wurde Karel nach Kaufering 1 verlegt. Dort wurden KZ-Häftlinge gesammelt, darunter Karel Reiner, die zuerst in das Hauptlager Dachau bei München überführt wurden. Von dort wurden sie, von Hunger geschwächt, in Lumpen und ohne Schuhe, auf einen Marsch in Richtung Alpen geschickt, vorbei an München nach Weilheim und weiter nach Penzberg, schließlich in Richtung Tegernsee. Dort, nach mehr als hundert Kilometern Marsch, sollte ihr Leiden ein Ende haben. In einem Steinbruch machten sich ihre SS-Bewacher aus dem Staub, vermutlich am 2. Mai.
Die Geretteten übernachteten in einem nahegelegenen Dorf und wurden am nächsten Tag von amerikanischen Soldaten entdeckt. Aber die kümmerten sich nicht, sie hatten wohl anderes zu tun. So suchten Reiner und seine Marschgenossen ihr Heil in München, wo sie von der amerikanischen Militärpolizei übernommen und versorgt wurden. Am nächsten Tag brachte man sie nach Dachau, wo ein Rückführungskomitee daran arbeitete, die befreiten KZ-Häftlinge nach Hause zu bringen. Zu Karels großer Überraschung traf er hier seinen Freund Norbert Frýd, der für die Amerikaner dolmetschte. Nach einer Quarantäne durften beide zurück nach Prag. Kurz davor konnte Karel eine Nachricht an Alois Hába senden, dass er am Leben sei. Sie erreichten Pilsen mit dem LKW, von dort ging ein Zug nach Prag. Seine Frau Hana sah er am 22. Mai 1945 um 18 Uhr am Prager Hautbahnhof Wilsonovo wieder. Karel Reiner wog bei seiner Rückkehr 45 Kilogramm, war aber froh, wiedergeboren zu sein.