Neue Aufgaben (1933–1938)

Emil František Burian (1904–1959)

Nach dem Studium stellte sich Karel Reiner neuen Aufgaben. Er lernte Emil František Burian kennen, eine Künstlerpersönlichkeit, die ihn weiter prägen sollte. Burian, Autor zahlreicher Bühnenwerke, Regisseur, Theaterleiter und Komponist, gründete 1934 ein experimentelles Theater D 34, (D steht für den Anfangsbuchstaben des tschechischen Wortes für „Theater“, die Zahl im Namen änderte sich jeweils nach der aktuellen Jahreszahl) das für seine revolutionären, avantgardistischen Inszenierungen und musikalischen Neuerungen schon bald über die Grenzen des Landes hinaus bekannt wurde.

 

Dr. Karel Reiner (stehend) mit E. F. Burian (links), dem russischen Regisseur W. Meyerhold (rechts) und Ensemblemitgliedern des D 37

Burian eröffnete Karel Reiner ein weites Experimentierfeld. Er übertrug ihm die musikalische Leitung des Theaters. Reiner arbeitete dort als Dirigent und Komponist für verschiedene Ensembles und schrieb Begleitmusiken für diverse Inszenierungen.

Es entstanden Kompositionen, in denen Reiner die neusten künstlerischen Strömungen seiner Zeit verarbeitete. Burian wurde neben Hába und Suk sein dritter wichtiger Mentor und Wegbegleiter in entscheidenden Jahren seiner künstlerischen Entwicklung. Als Chefredakteur der Zeitschrift „Rytmus“ (1935-1943) kritisierte Karel Reiner den Einfluss des nationalistischen und rassistischen Gedankengutes des Dritten Reiches auf die Presse der Sudetendeutschen und auf die deutsche Musikwissenschaft. Als politisch interessierter und engagierter Mensch hatte er schon seit Längerem mit Besorgnis die Entwicklung im Deutschen Reich beobachtet. Als Jude nahm er mit Entsetzen die Radikalisierung des Antisemitismus wahr. Er kritisierte aber auch den tschechischen Nationalismus, womit er sich ebenfalls Schwierigkeiten einhandelte. Trotz aller bösen Vorzeichen glaubte er daran, dass die tschechische Demokratie stark genug sein würde, um jenen Kräften zu trotzten, welche „die Tschechoslowakei vor dem Judentum und dem Bolschewismus schützen wollen“, wie Reiner ironisch bemerkte. Dass die Westmächte Hitler erlauben würden, in die Tschechoslowakei einzumarschieren, hat er sicher so wenig für möglich gehalten, wie kaum sonst jemand im Land. Aber genau das passierte innerhalb eines knappen halben Jahres, zwischen September 1938 und März 1939.

Die Wehrmacht am Wenzelsplatz in Prag am 15. März 1939

Bedeutende Kompositionen bis 1939

I. Sonate für Klavier

Mit Widmung an Alois Hába. Aufgeführt am 23.6.1931 in Prag, Mozarteum, Konzert der Meisterschule des Staatskonservatoriums

Phantasie für Vierteltonklavier, Schlussakte, aufgeführt am 4.4.1932 in Kairo

Mai, Musik für Voiceband nach Karel Hynek Mácha im Vierteltonsystem für Harfe und Viertelton-Harmonium, Bearbeitung von Emil František Burian, aufgeführt am 16.4.1935, Prag Theater „D 35“

Meister Pleticha, Lieder und Tänze zu einer altfranzösischen Posse in Bearbeitung für Gesang und zwei Klaviere, Liedertexte von Norbert Frýd. Vorspiel und Tanz, 11.2.1937, Prag, Theater „D 37“

Eugen Onegin, Bühnenmusik zum Versroman von A. S. Puschkin in der Bearbeitung von E. F. Burian, 26.1.1937, Prag, Theater „D 37“

Liederzyklus: Drei Liebeslieder und November-Melodien, 1937

Der bekannte moderne tschechische Architekt Jan Kotera entwarf das Mozarteum im Stil der geometrischen Moderne (1911/12). In den Jahren 1933 bis 1938 war hier das berühmte Theater von E. F. Burian untergebracht.

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